Das neue Schuljahr hat gerade begonnen, sechs Wochen Sommerferien liegen dazwischen. Gleichwohl sind die Erlebnisse aus dem Juli sehr präsent. "Es war eine sehr coole Erfahrung und ein anderes Spielniveau, wie wir es aus Deutschland kennen", erklärt Zisan Güngör. Dunja Radeideh ergänzt: "Es ist eine Ehre gewesen, dabei sein zu dürfen unter diesen sechs Mädchen aus ganz Deutschland." Und beide sagen lachend: "So weit sind wir noch nie geflogen." Um genau zu sein: Knapp 12 Stunden weit weg nach Sao Paulo. Beide nahmen an der Jugendweltmeisterschaft im Goalball in Brasilien teil. Ebenfalls mit dabei war als Co-Trainerin Claudia Doufrain, die als Sportlehrerin an der Johann-Peter-Schäfer-Schule in Friedberg (JPSS), einer Einrichtung für sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler, arbeitet. Unter Doufrain hatten Güngör und Radaideh seit einigen Jahren im Schulsport trainiert und sich dabei auf ein Niveau verbessert, so dass sie nun für die bundesweite Auswahlmannschaft nominiert wurden. "Der Goalballsport ist dem DOSB (Anm. d. Red.: Deutscher Olympischer Sportbund) angegliedert, die Nominierung erfolgte durch das nationale paralympische Komitee", erläutert Doufrain, die mit Schulteams seit über 20 Jahren zu zahlreichen Turnieren im In- und Ausland (Schweiz, Österreich und Frankreich) fährt. Sie erkennt im Goalball-Sport auch eine hohe soziale Komponente für die Jugendlichen mit Sehschädigung: "Für die Schüler bedeutet es, Kontakte zu anderen Sehgeschädigten außerhalb unserer Schule aufzubauen und Freundschaften zu finden. Zudem sind es häufig die ersten Fahrten ohne Eltern und Familie. Es ist schön und uns auch ein Anliegen, das als Schule ermöglichen zu können." Für das Trio ging es jetzt also zur Weltmeisterschaft nach Sao Paulo, Gegner waren Gastgeber Brasilien, die Türkei, Südkorea, Kenia, Israel und Australien. Güngör und Radaideh saßen anfangs auf der Reservebank, erhielten im Turnierverlauf aber zunehmend mehr Einsatzzeiten. Die 12:2- und 13:5-Erfolge über Kenia und Südkorea reichten zwar nicht für den Halbfinaleinzug, unter dem Strich stand aber dennoch ein zufriedenstellender fünfter Platz. Den Titel sicherte sich im Finale die Türkei. "Die Top-Vier mit der Türkei, Australien, Brasilien und Israel waren zu gut für uns. Vielleicht nicht alle vom Wurf, allerdings von der Abwehrleistung her. Südkorea und Kenia sind vom Leistungsvermögen deutlich hinter uns, lernen jedoch von Spiel zu Spiel dazu", resümiert Claudia Doufrain. Im 10 000 Kilometer entfernten Friedberg verfolgte die Schulgemeinde das Turnier per Livestream im Internet - das typisch lang gezogene "Gooooooooool" der Reporter bei den Toren inklusive. Ganz ohne die Jagd nach Treffern und Siegen derweil lernten die jungen Nationalspielerinnen auch ihre Gegnerinnen näher kennen. "Wir hatten intensiver Kontakt zu den Australierinnen und Südkoreanerinnen. Die konnten zwar kein Englisch, trotzdem hat die Kommunikation funktioniert. Für mich ist auch das Miteinander wichtig. Es gibt ja nicht so viele blinde Menschen auf der Welt, da sollte man sich unterstützen", sagt Güngör. Eine Stadtführung durch die brasilianische Metropole rundete das Programm ab. Für Güngör war es die Weltmeisterschaft auch der letzte Wettbewerb als Schülerin der JPSS, sie ist zum neuen Schuljahr nach ihrem Realschulabschluss an die Carl-Strehl-Schule nach Marburg gewechselt, um dort das Abitur zu machen. Die ein Jahr jüngere Radaideh strebt derweil die Mittlere Reife für 2024 an. Bis dahin wird sie weiterhin unter Sportlehrerin Doufrain trainieren und durch den Goalball-Sport noch die eine oder andere wertvolle Turnier- und Reiserfahrung sammeln.
Bitte beachten Sie auch den Link zum Artikel in der Wetterauer Zeitung vom 21.09.2023:
https://www.wetterauer-zeitung.de/sport/lokalsport/sehbehinderte-jugendliche-aus-der-wetterau-bei-der-wm-in-sao-paulo-92532521.html

